von Hubert Fasen und Walter Friehs
Einige Orgel-Abentheuren / welche der Orgel-Bauer Kleine / bestanden: zum Nutzen und / Frommen den künftigen / Orgelbauern vorgestellt: / damit sie in gleichen Fällen / solche greulichen Abentheuer / nachahmend tapfer beste = / hen mögen. 1
So betitelt Johann Christian Kleine (geb.1737, gest. 1805) eine Sammlung von Erlebnissen, die er im Zusammenhang mit seinem umfangreichen Schaffen als Orgelbauer handschriftlich in einem Buch mit gesammelten Orgeldispositionen festgehalten hat.
Hier beschreibt er auch, wie es zum Orgelbau in Eckenhagen kam: 1782 holte die Gemeinde von den Orgelbauern Kleine und Nohl, die beide im Kirchspiel Eckenhagen ansässig waren, Kostenvoranschläge ein. Ein Gutachtergremium empfahl, den Auftrag Joh. Chr. Kleine zu erteilen, was auch im Jahre 1783 geschah. Es sollte allerdings noch 10 Jahre dauern, bis es schließlich tatsächlich zur Ausführung des Auftrages kam. Im Jahre 1794 wurde das Gehäuse und das Schnitzwerk in der Kirche angeliefert, das Werk folgte 1795. Schließlich wurde die Orgel nach 35 Tagen Intonation und Stimmung am 24. Juli 1795 endlich an die Gemeinde übergeben.
In den folgenden 200 Jahren erlebte die Orgel einige Veränderungen. Nach vorwiegend klanglichen Veränderungen im 19. Jahrhundert erfolgten in den 50er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts größere Eingriffe in den technischen Aufbau des Instrumentes.
Im Jahre 2005 erging der Auftrag zur Rekonstruktion und Restaurierung der 1794 von Johann Christian Kleine aus Freckhausen erbauten Orgel an die Orgelbauwerkstatt Hubert Fasen in Oberbettingen / Eifel. Vorausgegangen war die Erstellung eines Restaurierungskonzeptes aufgrund der vorgefundenen Situation vor Ort und einiger Literaturrecherchen. Als die Arbeiten dann begonnen wurden, sollte sich ein bereits länger bekannter Sachverhalt als großer Glücksfall erweisen.
Der Orgelbauer Christian Roetzel arbeitete von 1800 bis 1803 zusammen mit Johann Christian Kleine in der Freckhausener Werkstatt. Am 2. Januar 1803 übertrug Kleine ihm die Werkstatt samt Zeichnungen und Büchern, da er sich nicht mehr in der Lage sah, die Werkstatt weiter zu führen. Im Nachlass Roetzels, der im Staatsarchiv in Münster lagert, befinden sich daher auch etliche Schriften und Zeichnungen von Johann Christian Kleine. Wie sich herausstellte, waren darunter detaillierte Ausführungszeichnungen der Eckenhagener Orgel von 1792, anhand derer alle fehlenden Teile, die im Laufe mehrerer Umbauten verloren gegangen waren, originalgetreu rekonstruiert werden konnten.
Neben den Aufzeichnungen Kleines war natürlich der Befund der vorgefundenen Originalteile von großer Bedeutung. Zum Teil gibt es Abweichungen zwischen der Planung und der Ausführung, im Zweifel hatten natürlich die sichtbaren Spuren Vorrang. Die gesamte Spieltraktur, die Windladenträger, die Windanlage und Teile des Pfeifenwerkes waren durch mehrere Umbauten verloren gegangen. Außerdem war der Tonumfang im Pedal von original 20 zu unseren modernen 30 Tönen erweitert worden, wodurch die Gehäusetiefe erweitert werden musste. Als Tragwerk war ein Eisengerüst eingebaut. Diese modernen Umbauten wurden vollständig zurückgenommen.
Der ursprüngliche Pedalumfang von 20 Tönen (C bis g°) hätte eine große Einschränkung bei der darstellbarenOrgelliteratur bedeutet. Daher wurde hier als Kompromisslösung ein Tonumfang von 27 Tönen (C d) verwirklicht, bei dem kaum Einschränkungen im Literaturspiel hingenommen werden müssen. Die Ergänzungslade mit den sieben fehlenden Tönen kam im bisher ungenutzten Untergehäuse hinter dem Spieltisch zu stehen. Der aus klanglichen Erwägungen ebenfalls zusätzlich eingebaute Violon 16 im Pedal erhielt eine eigenständige Windlade, die unter der originalen Pedalwindlade in die rekonstruierte Traktur eingreift. Die Lage und Größe der Keilbälge, die ursprünglich zur Windversorgung dienten, wurde aus den Zeichnungen Kleines rekonstruiert.
Nachdem das Pfeifenwerk vollständig ausgeräumt war, konnte anhand der Windladenbohrungen die überlieferte Disposition bestätigt werden. So ergab sich z.B., dass der Tonumfang des Registers Prinzipal 8 im II. Manual ursprünglich eine Oktave mehr betrug, als zuletzt vorgefunden, was sich auch in den überlieferten Unterlagen so fand und nun wieder zurückgeführt wurde.
Den Abschluss der Arbeiten im Jahre 2008 bildete die Intonation des Pfeifenwerks. Auch hier ergab sich wieder die Quellenlage als ausgezeichnet. Johann Christian Kleine hat eine Art Orgelbau-Lehrbuch verfasst, in dem er neben dem technischen Aufbau und der Konzeption von Orgeln auch ausführlich und detailliert auf seine klanglichen Vorstellungen zu den einzelnen Registern eingeht: Etwas / vom / Orgel-Bau / von / Johan Christian Kleine / Orgelbauer in Frekhausen. / 1795 / Nebst zehen Tafeln / 2
Seine Klangbeschreibungen sind detailliert und können direkt als Arbeitsanweisung verstanden werden. Zu den Registern Bordun 16, Gedackt 8 und 4 heißt es z.B.: Versuchet man die C en in ihrem Aufschnit und Intonazion, bis sich keine Neben-Töne der Quinte mehr hören lasen und das der Ton rein und vollig ist. 2 D.h. man muss das Oberlabium der Pfeifen so weit aufschneiden, bis der Ton rund und voll ist und der Quintklang des ersten Obertons nicht mehr deutlich vernehmbar ist (wie z.B. bei der Quintade).
Angelehnt an solche Klangbeschreibungen konnte die Orgel wieder in ein Klangbild überführt werden, das mit hoher Wahrscheinlichkeit der ursprünglichen Intention Kleines entspricht. Nach Absprache mit den zuständigen Orgelsachverständigen, Herrn Dr. Franz-Josef Vogt und Herrn Günter Eumann, hat die Orgel eine leicht ungleichschwebende Temperatur erhalten. Diese Stimmung nach Neidhart 'für das Dorf' ermöglicht das Spiel in praktisch allen Tonarten ohne extreme Mißklänge, es erhält jedoch jede Tonart einen für sie typischen Klangcharakter, was insbesondere für ältere Orgelmusik bis einschließlich der Barockzeit eine große Bereicherung darstellt.
1.: Nachlass Roetzel, zitiert nach: Schriften zur Musik Band 7: Franz G. Bullmann: Die Rheinischen Orgelbauer Kleine-Roetzel-Nohl, Teil 2, München 1974.
2.: Nachlass Roetzel, zitiert nach: Schriften zur Musik Band 7: Franz G. Bullmann: Die Rheinischen Orgelbauer Kleine-Roetzel-Nohl,Teil 2, München 1974, S. 123 ff.